Alexandra Platzer

VwGH zur Abzugsteuer bei Arbeitskräfteüberlassung

VwGH zur Abzugsteuer bei Arbeitskräfteüberlassung

Expats Abzugsteuer

Bei grenzüberschreitender Überlassung von Arbeitskräften nach Österreich ist Abzugsteuer von der Gestellungsvergütung zu entrichten. Diese Abzugsteuer besteuert den Unternehmensgewinn des beschränkt steuerpflichtigen Überlassers und stellt gleichzeitig die steuerliche Erfassung der nach Österreich überlassenen Arbeitnehmer sicher. Der VwGH hat im April 2021 klargestellt, wie mit dieser Sicherstellungsfunktion der Abzugsteuer umzugehen ist, wenn eine Rückerstattung auf Basis eines Doppelbesteuerungsabkommens beantragt wird. Die Finanzverwaltung hat die Abläufe bis dato noch nicht an diese neue Interpretation angepasst.

Ein typischer Fall von gewerblicher Arbeitskräfteüberlassung

In VwGH 23.4.2021 Ra2020/13/0089 hat sich der VwGH mit dem Fall einer in UK ansässigen Kapitalgesellschaft befasst, die auf Arbeitskräfteüberlassung für die Luftfahrttechnik spezialisiert war. Die britische Kapitalgesellschaft hatte keine Betriebstätte in Österreich. Sie überließ im Rahmen einer grenzüberschreitenden, gewerblichen Arbeitskräfteüberlassung Produktionstechniker an einen österreichischen Beschäftiger. Der britische Überlasser führte keinen freiwilligen Lohnsteuerabzug in Österreich durch und beantragte keinen Befreiungsbescheid von der Abzugsteuer. Der österreichische Beschäftiger behielt daher gemäß § 99 Abs 1 Z 5 EStG eine 20%ige Abzugsteuer von der Gestellungsvergütung ein. 

Die Produktionstechniker hatten weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich. Sie unterlagen mit ihren Einkünften aus der in Österreich ausgeübten Tätigkeit grundsätzlich der beschränkten Steuerpflicht in Österreich. Da diese Einkünfte wirtschaftlich aber bereits durch die Abzugsteuer von der Gestellungsvergütung miterfasst waren, mussten sie keine Einkommensteuer von diesen Einkünften in Österreich entrichten (Ausnahmeregelung in § 98 Abs 1 Z 4 EStG).  

Beschäftiger können die Einbehaltung und Abfuhr der 20%igen Abzugssteuer nur dann unterlassen, wenn die Voraussetzungen der DBA-Entlastungsverordnung für eine Entlastung an der Quelle erfüllt sind. Bei gewerblicher Arbeitskräfteüberlassung ist dafür ein vom Finanzamt für Großbetriebe ausgestellter Befreiungsbescheid erforderlich. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist die Abzugsteuer in einem ersten Schritt vom Beschäftiger einzubehalten und abzuführen, der Überlasser kann aber in einem zweiten Schritt die Entlastung im Rückerstattungsverfahren unter Anwendung eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) beantragen.

Um diese Rückerstattung der Abzugssteuer ging es im Verfahren vor dem VwGH: Nach Art 7 DBA Österreich – UK hat Österreich kein Besteuerungsrecht an den Unternehmensgewinnen eines in UK ansässigen Unternehmens, wenn keine Betriebstätte in Österreich besteht. Der britische Arbeitskräfteüberlasser stellte daher einen Antrag auf Rückerstattung jener Teile der Gestellungsvergütung, die nicht auf Arbeitnehmerlöhne entfielen, sondern auf Lohnnebenkosten, Gemeinkosten, die Gewinnmarge und die Unterbringungskosten der Arbeitnehmer. Eine Ansässigkeitsbescheinigung zum Nachweis der Ansässigkeit in Großbritannien konnte vorgelegt werden.  

So entschied der VwGH zur Rückerstattung der Abzugsteuer

Der VwGH ermittelte den rückerstattungsfähigen Teil der Abzugsteuer nach einer gänzlich anderen Logik: Eine kalkulatorische Aufteilung der Gestellungsvergütung in eine Lohnkomponente und einen Restbetrag hielt er nicht für zulässig. Voraussetzung für die Rückzahlung der Abzugssteuer ist laut VwGH, dass der Sicherstellungszweck der Abzugsteuer weggefallen ist, indem die Einkünfte der überlassenen Arbeitnehmer entweder durch einen (freiwilligen) Lohnsteuerabzug oder durch Veranlagung steuerlich erfasst werden. Ansonsten muss die Abzugsteuer bis zur Höhe der fiktiv ermittelten Einkommensteuer der überlassenen Arbeitnehmer weiterhin zurückbehalten werden. Es kann nur der übersteigende Teil der Abzugsteuer rückerstattet werden. 

Auswirkungen auf die Praxis

Damit ist höchstgerichtlich bestätigt, dass eine Rückerstattung der Abzugsteuer mit einer aufwändigen Berechnung verbunden ist: Wenn nicht ohnehin ein freiwilliger Lohnsteuerabzug durchgeführt wurde, muss für jeden einzelnen nach Österreich überlassenen Arbeitnehmer anhand der Bezüge für die Arbeitstage in Österreich und unter Berücksichtigung der anteiligen Werbungskosten (insbesondere Sozialversicherungsbeiträge) die fiktive Einkommensteuer in Österreich errechnet werden.

Dabei ist jedoch zu beachten, dass die vom VwGH beschriebene Sicherstellungsfunktion der Abzugsteuer nur für in Österreich beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer gilt. Haben die nach Österreich überlassenen Arbeitnehmer einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich, gibt es keine gesetzliche Grundlage dafür die Abzugsteuer zurückzubehalten, um die steuerliche Erfassung ihrer Einkünfte sicherzustellen. Diese Konstellation kann bei Projekten, die mehr als ein halbes Jahr andauern, durchaus auftreten.

Die Finanzverwaltung verlangt im Rückerstattungsverfahren für die Abzugsteuer bei Arbeitskräfteüberlassung eine besonders detaillierte Datenaufbereitung.  Im Webformular für die Vorausmeldung nach § 240a BAO (Formular ZS-RD-AKÜ) ist die vom VwGH beschriebene fiktive Ermittlung der Einkommensteuer noch nicht als Alternative zum Lohnsteuerabzug berücksichtigt. Auch danach, ob Arbeitnehmer beschränkt oder unbeschränkt steuerpflichtig sind, kann im Formular noch nicht unterschieden werden. Dem Vernehmen nach wird im BMF noch evaluiert, welche Anpassungen der Formulare und Erlässe aufgrund des VwGH Judikats erforderlich sind. 

Überblick zur Entlastung von der Abzugsteuer an der Quelle

  • Gewerbliche Arbeitskräfteüberlassung von Arbeitern oder Angestellten: Es ist weiterhin die in § 5 Abs 1 Z 4 DBA-Entlastungsverordnung verankerte Entlastungssperre zu beachten. Eine Entlastung von der Abzugsteuer an der Quelle kann daher nur dann erfolgen, wenn ein Befreiungsbescheid nach § 5 Abs 3 DBA-Entlastungsverordnung vom Finanzamt für Großbetriebe erteilt wurde. Dafür ist die Durchführung eines freiwilligen Lohnsteuerabzugs Voraussetzung. 
  • Konzerninterne Überlassung von Arbeitern: es gelten die gleichen Voraussetzungen für die Entlastung an der Quelle, wie bei der gewerblichen Überlassung (Befreiungsbescheid, freiwilliger Lohnsteuerabzug).
  • Konzerninterne Überlassung von Angestellten: Das BMF hat im Erlass vom 12.06.2014 noch die Durchführung eines freiwilligen Lohnsteuerabzugs als Voraussetzung für eine vollständige Entlastung an der Quelle genannt. Ansonsten kann laut BMF nur eine Entlastung der in der Gestellungsvergütung enthaltenen Gewinnmarge erfolgen. Die Anforderung, dass ein freiwilliger Lohnsteuerabzug erfolgen muss und nicht z.B. auch Einkommensteuervorauszahlungen für die Veranlagung geleistet werden können, findet in der DBA Entlastungsverordnung keine Deckung.  Außerdem hat der VwGH eine rechnerische Aufteilung der Abzugsteuer in einen von der Lohnkomponente und einen von der Gewinnmarge entrichteten Teil nicht als zulässig erachtet. 

Überblick zur Rückerstattung von Abzugsteuer

    • Rückerstattung von Abzugsteuer, wenn unbeschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer überlassen wurden: Dem Einkommensteuergesetz lässt sich keine Sicherstellungsfunktion der Abzugsteuer für die steuerliche Erfassung der Einkünfte von in Österreich unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern entnehmen. Hat Österreich nach dem anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommen kein Besteuerungsrecht an den Unternehmensgewinnen des Überlassers, weil keine Betriebstätte in Österreich besteht, ist die Abzugsteuer daher zur Gänze rückzuerstatten. Die Vorgehensweise sollte mit dem Finanzamt für Großbetriebe abgeklärt werden.
    • Rückerstattung von Abzugsteuer, wenn beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer überlassen wurden: Im Webformular für die Vorausmeldung nach § 240a BAO (Formular ZS-RD-AKÜ) kann derzeit nur Lohnsteuer eingeben werden, aber nicht wie vom VwGH vorgesehen die fiktive Einkommensteuer. Ich empfehle die Kontaktaufnahme mit dem Finanzamt für Großbetriebe.

Die Abzugsteuer ist in der Praxis schwer zu handhaben. Ich unterstütze Sie sehr gerne dabei, für Ihre Konstellation einen Lösungsansatz zu finden.

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